«Es ist noch nicht ausgestanden, wir müssen dranbleiben.»

Er navigiert den Kanton Solothurn durch unruhige Zeiten. Kantonsarzt Prof. Dr. med. Lukas Fenner teilt im Gespräch seine Gedanken über die Corona-Krise und über die Hürden, die es zu meistern gilt.

Ab wann war die Entwicklung zur Pandemie für Sie absehbar?

Schwierig war, dass die Informationen aus China verzögert und bruchstückhaft zu uns gelangten. Gesichert ist, dass die Ausbreitung bereits vor Dezember 2019 begonnen hatte, wir jedoch erst Ende Jahr offiziell davon erfuhren. Anfang Januar erkannten dann auch wir in Europa, dass Covid-19 ein ernstzunehmendes Thema werden könnte. Ende Januar nahm der Sonderstab Corona dann die Arbeit auf. 

Der Kanton Solothurn hat vergleichsweise wenige Infizierte pro 100 000 Einwohner. Sind die Solothurner besonders diszipliniert?
Man darf die Daten nicht überinterpretieren. Natürlich haben wir nicht ein Niveau wie im Kanton Tessin oder Genf. Vieles an der Entwicklung ist eher zufällig. Wichtig ist die geografische Distanz der Mittelland-Kantone zu den Corona-Hotspots wie Oberitalien. Die konsequente Durchsetzung der Bundes-Vorgaben hat aber sicher auch eine wichtige Rolle gespielt. Ob die Solothurner besonders diszipliniert sind? Ja, vielleicht! Jedenfalls bedanken wir uns bei der Bevölkerung, ebenso beim Gesundheitspersonal in Spitälern, Praxen, Heimen und in ambulanten Einrichtungen.

Das Gesundheitssystem des Kantons ist also fit für die weitere Entwicklung?
Wir haben die Gesundheitseinrichtungen vorbereitet: Nicht lebensnotwendige Operationen wurden aufgeschoben und die Beatmungskapazitäten deutlich heraufgefahren. Dies auch durch die Zusammenarbeit mit Privatkliniken. Zudem pflegen wir einen Austausch mit ambulanten Einrichtungen, mit der Ärzteschaft in der Grundversorgung, Spitex, mit Alters- und Pflegeheimen und mit freischaffenden Dienstleistern. Und falls diese Strukturen an ihre Grenzen stossen, bleiben der Balmberg für die medizinische Quarantäne, die Höhenklinik Allerheiligenberg für den Alters- und die Fridau für den Asylbereich. Weiter verteilt der Zivilschutz zur Sensibilisierung Flyer und kommt mit den Leuten ins Gespräch. Denn im Kanton Tessin hat sich gezeigt, dass das direkte Gespräch mit der Bevölkerung wichtig ist. Zurzeit ist es schwierig, die weitere Entwicklung zu prognostizieren. Auch wenn es danach ausschaut, dass sich die Kurve eher stabilisiert, kommt noch jedes Szenario in Frage. Man muss davon ausgehen, dass die Zahl der Infizierten weiter zunimmt, – und dies der Bevölkerung so kommunizieren: Es ist noch nicht ausgestanden, wir müssen dranbleiben. Insbesondere bei schönem Wetter und über Ostern.

… und uns auf eine zweite Welle im Herbst gefasst machen?
Ich gehe nicht davon aus, das das Virus – wie SARS – endgültig verschwinden wird. Ob es zur zweiten Welle kommt und wie intensiv, hängt davon ab, wie hoch die Durchseuchung bei der ersten Welle war und wieviele Menschen noch für den Erreger empfänglich sind. Und: Wie schnell ein Impfstoff zur Verfügung steht.

Nach einem Mittel gegen das Virus wird noch geforscht. Welche «Medizin» gibt es gegen den «Koller in den eigenen vier Wänden»?
Man muss derzeit mit einschneidenden Massnahmen – so etwa mit Einschränkungen im persönlichen und sozialen Leben – zurechtkommen, sodass man sich an die Pandemie jahrzehntelang als prägendes Erlebnis erinnern wird. Die  Einschränkungen haben sicherlich einen Einfluss auf das psychische Wohlergehen. Doch welche Rezepte gibt es dagegen? Seit dieser Woche ist beispielsweise eine kantonale Hotline der Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler
in Betrieb. Darüber hinaus gibt es weitere Angebote, die wir auf unserer Webseite corona.so.ch zusammengefasst haben.

Zum Schluss dennoch eine Prognose: Welchen Stellenwert wird das Gesundheitswesen nach der Corona-Krise haben?
Ich denke, dass wir den Wert eines guten Gesundheitswesens erkennen, das auf genügend Ressourcen und Reserven zurückgreifen kann. Nach der Pandemie werden wir viel darüber diskutieren, wie wir uns noch besser auf zukünftige Pandemien vorbereiten können.

Hier finden Sie das ganze Interview zum Herunterladen.

Weitere Infos finden Sie unter www.corona.so.ch oder wenden Sie sich telefonisch an die Hotline unter 0800 112 117